Hallo
Eine Subklinische Schilddrüsenunterfunktion
äußert sich nicht in eindeutigen körperlichen Veränderungen sondern vorwiegend im Verhalten des Hundes. Die Hormonwerte sind (noch) im Referenzbereich, aber offensichtlich bereiten sie dem Hund schon deutlich Unbehagen. Neben diversen unspezifischen körperlichen Symptomen gibt es nicht minder unspezifisch Verhaltensmerkmale.
Diese unspezifischen aber dennoch typischen Verhaltenszüge sind:
- Aggressivität
- Ängstlichkeit
- Geringe Stresstoleranz
- Stimmungsschwankungen, Unberechenbarkeit
- hohe Reaktivität, Spontanität
- Überkonzentration auf bestimmte Sachen und
damit verbunden:
- Ausblenden der gesamten restlichen Umwelt
- Unansprechbarkeit und somit keine Einflussmöglichkeit durch Besitzer
- aber auch: hohe Verletzungsgefahr durch Ausblenden aller anderen Sinne
Die meisten Besitzer der Hunde mit subklinischer Schilddrüsenunterfunktion haben eine wahre Odyssee an Hundeschulen, Trainern etc. hinter sich, die im Wesentlichen das Verhalten des Hundes auf Dominanz-/Rangordnungsprobleme, schlechte Erziehung, Unfähigkeit des Besitzers etc. schieben.
Das Hauptproblem ist das
Finden eines Arztes, der die Krankheit richtig diagnostiziert. Fast allen "Schildi-"Besitzern wurde von ihren TÄ bescheinigt, dass der Hund medizinisch vollkommen in Ordnung sei. Erschwerend kommt hinzu, dass viele der Symptome der Subklinischen Unterfunktion Anzeichen für eine ÜBERFUNKTION sind – diese ist aber bei Hunden extrem selten.
Die
Behandlung erfolgt meist durch Gabe des Schilddrüsenhormons Thyroxin (T4). In einzelnen Fällen hat sich die zusätzliche Gabe von T3 (Trijodthyronin) bewährt. Die Präparate der einzelnen Anbieter unterscheiden sich geringfügig und können daher auch unterschiedliche Wirkungen bei einem Hund bewirken.
In einigen wenigen Fällen ist auch eine homöopathische Behandlung möglich. Diese sollte aber wirklich nur durch sachkundige Ärzte, die ggf. auch bereit sind auf "traditionelle" Behandlungen umzusteigen, durchgeführt werden.
Durch die meist langjährige Vorgeschichte entsteht häufig eine
anhaltende Verunsicherung (nicht nur) des Besitzers und/oder ein Vertrauensverlust zwischen Hund und Halter. Diese Mankos gilt es nach Behandlungsbeginn zu beseitigen. Der Hundehalter ist nicht unfähiger, als andere Hundehalter auch. Nur der Hund war schlicht und ergreifend nicht in der Lage, den Halter wahr zu nehmen. Am Besten wird das durch den folgenden Vergleich veranschaulicht:
Ein normaler Hund hat eine Hyper-ISDN-Leitung zur Umwelt (= viele Signale können gleichzeitig verarbeitet werden)
Ein Schildi hat eine analoge Leitung aber ggf. Glasfaser (= nur ein Signal wird verarbeitet - aber die Verarbeitungsgeschwindigkeit kann extrem hoch sein –> sehr reaktiv, spontan).
Meist wird nach Behandlungsbeginn sehr schnell eine
Verhaltensbesserung erkennbar: der Hund ist weniger aufbrausend, in Krisensituationen besser abrufbar bzw. ansprechbar, etc.
Allerdings fängt erst dann die
Erziehung an: Verhaltensmuster, die evtl. über Jahre aufgebaut wurden, wirft der Hund, nur weil er nun die Welt mit anderen Augen sieht, nicht plötzlich über Bord. Hier ist zum Teil sehr viel Geduld und Fingerspitzengefühl erforderlich.
Dennoch kann es lange dauern, bis ein "Schildi" ein "normaler" Hund wird, dem man lediglich Tabletten geben muss. Manche werden es nie. Bei diesen gibt es immer wieder Situationen, die den Hund überfordern, in denen er in Stress fällt und "dicht" macht (s. unten: Stress). Kennt man solche Situationen, kann man entsprechend trainieren. Manche empfehlen dann im vorhinein die Tablettendosis etwas zu erhöhen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bis zur optimalen Wirkung der Tabletten ca. 0,5 – 1 Std. vergehen.
Ansonsten sollte der Hund schnellstmöglich aus der Situation heraus genommen werden. Ist das nicht möglich, hat sich ein antrainiertes
Entspannungssignal bewährt, um zumindest kurzzeitige Krisensituationen zu überstehen. Das Entspannungssignal baut man am vollkommen entspannten Hund, z.B. beim Streicheln oder Ttouchen, auf.
Gute Erfolge um den Hund insgesamt mehr zur Ruhe zu bringen, sind auch beim TellingtonTouch zu beobachten.
Von Anfang an sollte eine Art
Tagebuch geführt werden, in dem die Tablettendosis, besondere Vorkommnisse (z.B. besondere Verhaltensweisen, besonders ausgeglichenes oder aufgedrehtes Verhalten, Beißereien etc.), Futter, Krankheiten, Fellveränderungen, Ruhepuls etc. aufgeführt werden. Dies erleichtert eine evtl. Anpassung der Tablettendosis sowie das Erkennen nachhaltiger Veränderungen.
Die
Dosierung der Tabletten sollte sich bei einem verhaltensauffälligen Hund vorrangig am Verhalten des Hundes orientieren.
Die Symptome der Über- sowie der Unterdosierung sind dabei ähnlich und unterscheiden sich von Hund zu Hund. Allgemein werden folgende Symptome genannt:
verstärktes Hecheln, Unruhe bzw. Hyperaktivität oder auffallende Trägheit, verstärktes Trinken, Durchfall/weicherer Kotabsatz, Übelkeit und zunehmender Ängstlichkeit, Herzrasen.
Bei weiterem Vorbestehen der vor genannten Symptome trotz Dosisänderung ist unverzüglich ein Tierarzt aufzusuchen!
Die
Blutwerte sollten regelmäßig überprüft werden. Anfangs häufiger, später reicht meist eine jährliche Kontrolle. Mit dem behandelnden Arzt ist zu klären, in welchem Zustand (nüchtern / nach dem Füttern) und wie lange nach der Tablettengabe der Hund zur Blutabnahme erscheinen soll.
Häufig wird folgende Vorgabe gemacht:
- zur Bestimmung der T4-Einstellung: 4 – 6 Stunden nach Tablettengabe
- zur Bestimmung der T3-Einstellung: 3 Stunden nach Tablettengabe
Diese Richtwerte lassen sich leider häufig, abhängig von den Öffnungszeiten der Tierarztpraxis, nicht realisieren.
Als Kompromiss sollte möglichst die Zeit zwischen Tablettengabe und Blutabnahmen im Laufe der Jahre konstant gehalten werden, um zumindest einen langfristigen Vergleich zu erhalten.
Es ist besonders auf eine ausgeglichene und gleichbleibende
Zusammensetzung des Futters zu achten.
Zum Beispiel können Änderungen im Jodgehalt (z.B. bei Futterwechsel, beim Barfen) massive Verhaltensänderungen bei einer noch bestehenden Restfunktion der Schilddrüse hervorrufen.
Rinderkehlkopf/Schlund enthält viel Jod/Schilddrüsenhormon und kann daher ebenfalls begrenzte Zeit eine verhaltensbeeinflussende Wirkung auf den Hund haben.
Es besteht der Verdacht, dass der in den meisten Industriefuttern vorhandene Kalziumüberschuss zu Fehlfunktionen der Schilddrüse führen kann. Vereinzelt wurden nach einer entsprechenden Futterumstellung (ergänzend zur Tablettengabe) Besserungen im Gesamtverhalten erzielt
Weitere wichtige PunkteDie Schilddrüsenunterfunktion kann (dauernd oder zeitweise) Auswirkungen auf den
Geruchssinn haben. Dies ist bei Fährtenarbeit und insbesondere bei Rettungshunden im Einsatz zu berücksichtigen.
Viele Schildi´s lieben es, sich in
Höhlen zu verkriechen, da diese ein hohes Maß an Sicherheit bieten. Ein Kennel ist daher sehr empfehlenswert.
Viele Schildi´s sind sehr
temperaturempfindlich. Je nach Außentemperatur kann eine Variation der Tablettendosis erforderlich sein (sowohl bei extremer Hitze als auch bei extremer Kälte). Auch Decken, der Platz vor der Heizung etc. werden gerne angenommen.
Insbesondere falsch eingestellte Schildi´s sind aufgrund des gestörten Stoffwechsels anfällig für
Infektionskrankheiten, häufig besteht aufgrund der reduzierten Wahrnehmung ein hohes
VerletzungsrisikoSchildi´s sollten regelmäßig und frühzeitig auf mögliche
Folgekrankheiten (Herz, Nieren etc.) überprüft werden.
Besonders für Schildi´s gilt: Nie Halsband verwenden, sondern
immer Geschirr: Schildi´s sind sehr spontan und ein (selbstzugefügter) Leinenruck kann nie ausgeschlossen werden. Zudem drückt das Halsband auf die ohnehin schon geschädigte Schilddrüse. Hierzu siehe auch [url]Halsband oder Geschirr[/url]
Insbesondere bei Schildi´s sollte dringend Abstand von
aversiven Erziehungsmethoden (s. unten: Stress) genommen werden.
Zum Schluss noch einige Sätze zum
Thema Stress:
Schildi´s sind
extrem stressanfällig.
Es ist daher wichtig, zu erkennen, wann ein Hund gestresst ist.
Die Stressreaktionen, gerade zu Beginn der Stressreaktion, können von Hund zu Hund stark unterschiedlich sein. Während der eine Hund noch scheinbar lustig an der Leine zerrt, liegt der andere Hund ruhig in der Ecke.
Gemäß Nagel/v. Reinhardt (Stress bei Hunden)
äußert sich Stress/Dauerstress u.a. wie folgt:
- Nervosität
- Ruhelosigkeit
- Überreaktion
- Beschwichtigungsignale (in eigentlich "normalen" Situationen)
- Umorientiertes Verhalten / Übersprungshandlungen
- Aufreiten
- Übertriebene Körperpflege
- Schuppenbildung
- Übertriebene Lautäußerung
- Störungen im Magen-Darm-Trakt
- Allergien
- Appetitlosigkeit / Fresssucht
- Unangenehmer Körpergeruch/ Mundgeruch
- Verhärtete Muskeln
- Fixieren eines anderen Lebewesens / Gegenstandes / Lichtkegel / Fliegen an der Wand
- Stereotypien
- Schlechte Konzentrationsfähigkeit
- PassivitätWeitere Anzeichen können z.B. sein:
- Schaumbildung vor´m Mund
- häufiges Schütteln
- ängstliches Verhalten (z.B. Ohren dauernd angelegt)
- Ausblendung der Umwelt
- Aggressivität
Durch Beobachtung des Hundes erkennt man aber meistens sehr schnell, wann der Hund anfängt gestresst zu sein und kann entsprechend reagieren.
Das heißt:
Hund aus der Situation heraus nehmen, beruhigen, für Entspannung sorgen, ggf. Tabletten geben.
Langfristig sollte der Hund an möglichst viele Situationen gewöhnt werden (Desensibilisierung, Gegenkonditionierung).
Ergänzungen und Hinweise bitte als neuen Thread im
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